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Mein Caring-Moment: Schoggibanane

  • Esther Peyer

Manchmal startet der Pflegealltag in Grau. Schlechtes Wetter, kurzfristige Abwesenheiten beim Personal und eine unruhige Stimmung im Demenzwohnbereich beschweren meine Gemütslage. Doch dann kommt plötzlich der Moment, der mir das Gefühl gibt, dass alle Farben wieder zu leuchten beginnen.

Es ist ruhig um 9.30 Uhr in der Cafeteria, wie meistens am Wochenende. Ich sitze vor einem frischen Fruchtsaft und in meinem Gehirn arbeiten alle Schaltkreise. Ich gehe die bisherigen Ereignisse des Morgens durch. Es gibt einfach diese Tage, an denen auch das beste Fachwissen an der Tatsache abprallt, dass jede noch so gut gemeinte pflegerische Intervention auf Unzufriedenheit und Ablehnung trifft. Kurz gesagt – es war ein Tag, an dem ich mir teilweise völlig inkompetent vorkam. Aber auch diese Tage gehören zu meinem Beruf. Und schlussendlich lernt man doch aus genau solchen Situationen. Trotzdem sass ich, nachdem ich zusammen mit meinem Team wie ein Tintenfisch im Multitasking auf der Abteilung herumgesaust war, ein bisschen gestaucht und ziemlich müde vor meinem Fruchtsäftchen. Ich spulte vor meinem geistigen Auge schon die Vorschau der nächsten Stunden bis zur Mittagspause ab. Eigentlich sollte ich doch jetzt entspannen, relaxen, entschleunigen. Aber mein inneres «OM» machte gerade eher auf «OMG».

So vor mich hin sinnierend hörte ich plötzlich ein Räuspern hinter mir. Es war ein Bewohner meines Wohnbereichs, den ich am Morgen gepflegt hatte. Er streckte mir eine Schoggibanane hin und sagte: «Weisst du, du warst doch heute bei mir und hast mir geholfen. Und du hast das so gut gemacht, darum möchte ich dir das hier geben». In dem Moment schmolz ich dahin wie Butter und all meine trüben Gedanken verschwanden sofort. Mir wurde so warm ums Herz, denn mir war eines ganz klar: Das hier war keine Schokolade, die der Bewohner zuvor in seinem Zimmer liegen hatte. Nein, dieser Bewohner ist selbständig mit seinem Rollstuhl von seinem Zimmer bis zur Cafeteria gefahren, trotz seiner eingeschränkten Mobilität und Kognition. Er hat dort diese Schoggi-Banane aus dem Regal genommen, fuhr damit zur Kasse, hat sie dort auf sein Namenskonto gekauft und ist dann den ganzen Weg bis zu meinem Tisch gerollt, um sie mir zu überreichen. Diese Geste lies Farben wie ein Regenbogen in all meine trüben Gedanken fliessen und ich spürte wieder neuen Wind in meinem Superheldenumhang. Mit einem Gefühl wie Wonder Woman und einem Lächeln im Gesicht verliess ich später meinen Essplatz, um mich den nächsten Taten des Tages zu stellen.

Wenn die Herausforderungen des Pflegealltags auf tiefst menschliche Begegnungen treffen, kann nach J. Watson ein Moment entstehen, der Caring-Moment genannt wird. Ich selbst erlebe einen Caring-Moment immer als eine Situation, in der für mich die Zeit stillsteht. Der Fokus ist dabei vollständig auf die Begegnung im Hier und Jetzt gerichtet.

"Wenn die Herausforderungen des Pflegealltags auf tiefst menschliche Begegnungen treffen, kann nach J. Watson ein Moment entstehen, der Caring-Moment genannt wird." 

Solche Momente sind die Schätze im Pflegealltag, die wir wertvoll in Erinnerung behalten sollten, denn sie bedeuten aus meiner Sicht für die Pflege ein essenzielles erfahrbares Erlebnis, das uns immer wieder liebevoll mit Mut bereichern soll.

Bemerkungen

Esther Peyer

Esther Peyer ist diplomierte Pflegefachfrau im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach der Stadt Zürich und berichtet über Themen und Situationskomik aus der Langzeitpflege. Mit ihren Blogs möchte sie Menschen im Pflegeberuf, oder jene, welche sich für die Pflege interessieren, zum Nachdenken, Mitfühlen und Schmunzeln anregen, ohne dabei Schwierigkeiten zu tabuisieren.

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