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Abfallsünden

  • Katharina Rüdisüli

Wunderst du dich manchmal auch, was an Müll so alles rumliegt? Auf der Strasse, neben dem Mülleimer, im Park? Gerade bin ich am Bahnhof an einem zerschlagenen Glas Silberzwiebeln vorbeimarschiert. Warum haben sie die Scherben liegen gelassen? Haben sie das Herunterfallen nicht bemerkt? Das Klirren nicht gehört? Konnte der Täter sich nicht bücken?

Spektakulär ist der Bahnhof jeweils von Samstag auf Sonntag. Wenn ich da abends zum Nachtdienst fahre, sehe ich all die aufgedrehten, aufgebrezelten, partybegeisterten Menschen und morgens bei meiner Rückkehr dann die übernächtigten, lallenden Gestalten, die sich wie ich auf ihr Bett freuen. Und dann die Indizien ihres Treibens, während ich arbeiten war – halbvolle Bierflaschen, zerdrückte Pommes oder andere Nahrungsmittel – meist rückwärts gegessen. Will ich eigentlich weder riechen noch sehen. Da bin ich nicht allein. Die Reinigungskräfte beseitigen schon fleissig alle Spuren der Nacht. Die Ausschläfer verpassen dieses Spektakel.

Was ich eigentlich auch nicht will, ist selbst so viel Abfall produzieren. Glücklicherweise führt der Trend ja weg von der Wegwerfgesellschaft hin zu unverpackt und wiederverwendbar. Ich bin sehr gespannt, wie wir das im Spital dann handhaben werden. Wir sind Meister im Einmalgebrauch geworden. Alles muss steril sein. Hygiene und Sauberkeit sind uns echt wichtig. Wir fürchten uns vor Keimübertragungen. Auf der Intensivstation sind die Kinder schwer krank. Eine zusätzliche Infektion könnte sie das Leben kosten. Darum nehmen wir‘s genau. Alles, was nicht wirklich sauber und steril ist, muss weg. Kennst du die drei-Sekunden-Regel? Wenn etwas auf den Boden fällt und wir es innert weniger als drei Sekunden wieder hochheben, gilt es als sauber. Ein ungeschriebenes Gesetz unter vielen Pflegenden. Doch nicht bei uns. Was den Boden berührt, muss weg.

Es ist also eine Kunst durch den Alltag zu hetzen, sieben Sachen gleichzeitig von A nach B zu transportieren und dabei nichts fallen zu lassen. Der Umwelt zu liebe und für die Gesundheit der Kinder. Früher als FaGe habe ich noch einige Produkte mehr in die Sterilisation gebracht. Heute kostet das Aufbereiten und Sterilisieren mehr Geld als die Einwegsets, die ich dann zehn Minuten verwende und anschliessend wegwerfe. So wächst mein Müllberg während jeder Schicht. Der viele Plastik und verschiedene andere Rohstoffe ersetze ich ohne Probleme. Der Materialschrank ist dank den Pflegehilfen immer top aufgefüllt. Doch am Ende der Schicht, wenn ich den Abfallsack zur Sammelstelle trage, wiegt mein schlechtes Gewissen gegenüber der Natur etwa gleich viel wie der Sack. Dem Kind geht es besser. Ich habe dank den korrekt durchgeführten Händedesinfektionen, der Einhaltung der Hygienerichtlinien und den sterilen Produkten eine Infektion im Spital erfolgreich verhindert.

Ich bin zurück am Bahnhof. Die Silberzwiebeln sind noch da. Wir sind alle daran vorbeigelaufen. Könnten wir also wenigstens ausserhalb des Spitals den Müll korrekt entsorgen? Und möglichst nicht verschwenderisch sein? Ich wünsch mir hier mehr Achtsamkeit und Umsicht. Ich wünsch mir drei Sekunden für Alle. Wer etwas fallen lässt, hebt es wieder auf. Für sich. Für mich. Für Alle.

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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