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Zwischen Verwirrung und Versöhnung: Ein Tag in der Demenzpflege

  • Esther Peyer

Es war einer dieser Nachmittage, an denen sich eine bekannte Grundspannung über den Wohnbereich legte. In Fachkreisen spricht man bei Menschen mit Demenz vom «Sundowning-Syndrom», also wenn gegen Abend durch die normale Ermüdung des Gehirnes innere Unruhen zunehmen können.

Dies präsentierte sich auf eine ausgeprägt hyperaktive Art bei Frau Z., die mir bei jeder Begegnung mit schwungvollem Enthusiasmus «Hoi Silvia!» sagte. Ich erklärte ihr jedes Mal mit viel Geduld, dass mein Name Esther sei, woraufhin sie jedes Mal meinte: «Ach ja, stimmt.». Trotzdem blieb ich für den Rest des Nachmittages «Hoi Silvia!». Ich quittierte es zuletzt mit einem inneren Schmunzeln.

Später am Abend zeigte sich ein anderes typisches Pflegethema als Herausforderung, nämlich der immer wieder aufflammende Kampf um Ethik, Hygiene, Scham und Wohlbefinden. Im konkreten Fall: meine Unterstützung der Abendpflege bei Frau Z. versus ihre eigenen Vorstellungen von Hygiene. Da wir beide jeweils stur unsere Ansicht vertraten, spürte ich innerlich, wie mein Geduldsfaden so langsam begann, auszufransen. Es war wie ein verbales Seilziehen mit meiner Bewohnerin und es muss für aussenstehende anscheinend komisch gewirkt haben, denn als die Zimmernachbarin von Frau Z. wegen unserer Debatte plötzlich zu lachen begann, lupfte es mir Wort wörtlich «den Hut». Durch einen rasant ansteigenden Cortisol-Schub angetrieben, musste ich sofort das Zimmer der beiden Damen verlassen und setzte mich allein ins Stationszimmer. «Nur die Ruhe. Tief einatmen», sagte ich zu mir selbst und entschloss, dass ich jetzt einfach die nächsten 5 Minuten Besinnungszeit brauche, um wieder klar denken zu können. Vor meinem inneren Auge tanzten Carl Rogers und Peplau den Samba der Empathie und liessen so langsam wieder Endorphine in meinen Cortisolspiegel rieseln.

In diesem Moment müssen wir uns einfach klar sein: Es besteht immer ein Machtgefälle zwischen uns und unseren Bewohnenden und die höhere Machtpartei sind immer wir. Dieser Gedanke liess mich die grosse Verantwortung, die ich als Pflegeperson habe, wieder eindrücklich spüren und so entschied ich mich nach 5 Minuten dazu, wieder auf meine Frau Z. zuzugehen und mich bei ihr zu entschuldigen.

"In diesem Moment müssen wir uns einfach klar sein: Es besteht immer ein Machtgefälle zwischen uns und unseren Bewohnenden und die höhere Machtpartei sind immer wir."

Als ich mich dem Bettrand näherte, an dem Frau Z. immer noch sass, schaute sie mich mit einem Blick an, wie ein kleines ängstliches Kind, dass auf ein Donnerwetter der Eltern wartet. Dieser Anblick berührte mich tief im Herzen und ich setzte mich intuitiv zu ihr hin, nahm ihre Hände und sagte ihr, «Es tut mir leid». Sie schaute mich mit ihren grossen Augen an und eine Erleichterung blitzte in ihnen auf. «Und Frau Z., dass sie es wissen: Es ist alles ok zwischen uns», sagte ich in einem liebevollen und ernst gemeinten Tonfall. Ihre Antwort darauf war meine Bestätigung, dass ich genau richtig gehandelt habe: «Danke Esther».

Bemerkungen

Esther Peyer

Esther Peyer ist diplomierte Pflegefachfrau im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach der Stadt Zürich und berichtet über Themen und Situationskomik aus der Langzeitpflege. Mit ihren Blogs möchte sie Menschen im Pflegeberuf, oder jene, welche sich für die Pflege interessieren, zum Nachdenken, Mitfühlen und Schmunzeln anregen, ohne dabei Schwierigkeiten zu tabuisieren.

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