Schon die Adventszeit zeigt sich für mich im Arbeitsalltag mit zweierlei Gefühlen: Nächstenliebe und Freude sowie Schwermut und Einsamkeit. In den vergangenen Jahren habe ich beobachtet, dass im Dezember kaum jemand Zeit und Lust hat, eine stationäre Therapie zu machen. Gleichzeitig gab es da aber auch immer wieder die «Weihnachts-Patient:innen», welche wir teilweise mehrere Jahre hintereinander bei uns hatten.
Bereits Ende Oktober haben wir im Pflegeteam darüber gesprochen, wer sich welchem «Ämtli» widmen möchte. Dazu gehören Sachen wie die Station Winter-weihnachtlich zu schmücken, Samichlaus-Säckli vorzubereiten, ab und an abends Weihnachtsgeschichten zu erzählen, Kekse mit den Patient:innen zu backen wie auch einen Adventskalender und Weihnachtsgeschenke zu besorgen.
Seit ich auf der Spezialstation arbeite, habe ich jedes Jahr den Adventskalender zusammengestellt. Dafür habe ich mir jeweils früh genug Zeit genommen, um 24 Aufmerksamkeiten zu besorgen und für jeden Tag einen Achtsamkeits-Spruch mit in die Tüte zu packen. Darunter fanden sich dann Kleinigkeiten wie Badezusätze, Lippenbalsam, Achtsamkeits- und Geschicklichkeitsspiele oder «Skills» wie ein Stressball. So kann die Gruppe im Dezember jeden Morgen im «Morgentreff» um 8 Uhr einen Namen ziehen und der/die genannte Patient:in darf dann das Geschenk öffnen und den Spruch den anderen vorlesen. Jedes Mal freut es mich aufs Neue zu sehen und zu hören, wie gut diese kleinen Dinge bei den Patient:innen ankommen und ihnen den Start in den Tag versüssen. Selbst die, die sich schwertun mit Weihnachten, tauen bei den Ritualen auf und zeigen Interesse. Es hilft ihnen in den dunklen Tagen etwas Freude zu verspüren und in Verbindung mit anderen Menschen zu treten. Dasselbe gilt beim gemeinsamen Backen oder wenn eine meiner Kolleginnen aus dem Pflegeteam im Spätdienst eine Geschichte vorliest bei Keksen und Punsch.
Die Gründe, warum die jungen Frauen in diesen Tagen in der Klinik sind, hat bei den einen mit der Weihnachtszeit zu tun, bei anderen ist es Zufall. Die oben genannten «Weihnachts-Patient:innen» erleben in dieser Jahreszeit oft Gefühle wie Einsamkeit, Trauer und Angst. Nicht zuletzt, weil sie häufig schwere Familiengeschichten mitbringen und in der Vergangenheit in den Wintermonaten Schlimmes erlebt haben. In den Eintrittsgesprächen erzählen die Betroffenen von starken depressiven Symptomen, zunehmenden Suizidgedanken oder Angst, dass es zu Hause in der Familie eskalieren könnte. Nicht selten treten auch an den Feiertagen selbst Personen in die Klinik ein, weil es eben tatsächlich zu einer Krisen- oder Notfallsituation gekommen ist.
An Weihnachten zu arbeiten, ist immer aussergewöhnlich. Die Stimmung ist ganz anders. Auf unserer Therapiestation meist sehr ruhig und gelassen, gerade weil es mehrere Tage ohne Therapieprogramm sind. Die Patient:innen sind dann teilweise abends oder über Nacht zu Hause und die wenigen, die auf der Station verweilen, sind äusserst dankbar, dass sie gemeinsam mit der Pflege und den Mitpatient:innen hier sein können.
Und da ich selbst diese Feiertage manchmal als zu hektisch empfinde, geniesse ist es umso mehr, den Patient:innen dann irgendwie ein bisschen «Familien-Ersatz» zu sein.
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