Beim besagten Klienten handelt es sich um einen 40-jährigen Herr, welcher an einer kompletten Paraplegie bei Myelomeningozele leidet. Myelomeningozele ist eine angeborene hernienartige Fehlbildung des Rückenmarks, der Rückenmarkshaut sowie auch der Wirbelsäule. Es liegt also eine Spaltbildung der Wirbelsäule vor. Der Klient hat jedoch noch weitere Diagnosen. Genug aber mit den komplizierten Fachwörtern!
Der Klient ist auf einen Rollstuhl angewiesen, und die Spitex unterstützt ihn täglich beim Aufstehen, Hinlegen, Ankleiden, Duschen und bei der Darmentleerung. Bei der Darmentleerung benötigt er Hilfe aufgrund seiner neurologischen Beeinträchtigungen.
Bei der Darmentleerung wird ihm täglich ein Abführzäpfchen eingeführt und die Spitex führt eine manuelle Ampullen-Ausräumung durch. Dazu tragen wir Handschuhe und führen einen mit Vaseline bestrichenen Finger in den Enddarm ein, während wir mit kreisenden Bewegungen den Enddarm und den Schliessmuskel massieren. Innerhalb von maximal einer Minute sollte theoretisch eine Stuhlentleerung erfolgen.
Ich bin mir sicher, dass viele von euch jetzt denken, dass dies äusserst unangenehm sein muss. Tatsächlich ist es unangenehm, allerdings mehr für den Klienten als für die Spitex-Mitarbeiter:innen.
Da ich im Vorfeld viel über diesen Einsatz von meinen Kollegen und Kolleginnen gehört hatte, musste ich leider feststellen, dass ich unbewusst voreingenommen war. Obwohl ich mir immer vornehme, keine Vorurteile gegenüber Klienten oder Klientinnen zu haben.
Zu Beginn war die Stimmung beim Klienten etwas angespannt, da es ihm nicht gefiel, dass jemand Neues im Einsatz war. Das ist absolut verständlich, denn dieser Bereich ist sehr intim, vor allem für ihn. Er antwortete mürrisch, und ich erklärte ihm, dass es auch für mich immer schwierig ist, auf neue Personen und Situationen zu treffen und mich entsprechend anzupassen. Ich zeigte Verständnis und erwartete dies auch von ihm. Im Laufe des Einsatzes konnte er tatsächlich Verständnis für meine Situation aufbringen und entschuldigte sich.
Wir kamen relativ gut miteinander aus, und er freute sich, dass ich am nächsten Tag erneut bei ihm im Einsatz war. Ich ging mit gemischten Gefühlen in den Einsatz, wurde jedoch positiv überrascht.
Ich mache mir nichts vor, es gibt pflegerische Tätigkeiten, die ich definitiv lieber ausübe. Jedoch bietet jeder Einsatz die Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und für das Wohlergehen des Klienten oder der Klientin da zu sein.
Die Tatsache, dass wir manche Aufgaben lieber mögen als andere, ist völlig menschlich. Aber gerade das ist das Schöne an meiner Arbeit. Wir leisten täglich Arbeit, die wir nicht immer mögen, weil wir wissen, dass wir damit dem Gegenüber etwas Gutes tun. Dabei stellen wir unsere persönlichen Vorlieben oder manchmal auch unseren Ekel in den Hintergrund, da uns die Dankbarkeit der Menschen am Herzen liegt.
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