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Stumm – Der Verlust der Sprache

  • Vanessa Natalia Kosiewicz

In unserer Gesellschaft und auf der ganzen Welt verständigen sich die meisten Menschen über gesprochene Sprache. Wenn dies nicht funktioniert, dann helfen auch mal Hände und Zeichen in der Luft, um sich zu verstehen. Meine Freunde und ich fragen uns aber öfters, wie es wohl wäre, wenn man sich gar nicht mehr mitteilen könnte.

Bei der Arbeit begegne ich vielen Bewohnerinnen und Bewohnern, bei denen genau das der Fall ist. Ein Unfall, ein Schlaganfall, eine Hirnhautentzündung, all diese Ereignisse können ein Grund dafür sein, sich nicht mehr mitteilen zu können. In der Medizin spricht man dann von einer Aphasie – einem Verlust des Sprechvermögens oder Sprachverstehens infolge einer Erkrankung des Sprachzentrums im Gehirn.

Herausforderung in der Pflege

Auf meiner Station sind aktuell zwei Patienten davon betroffen. Sie können sich verbal nicht äussern, was die Pflege und das Erkennen ihrer Anliegen sichtlich erschwert. Ich frage mich dann meistens, was mir in dieser Situation guttun oder gar nicht gefallen würde. Bei solchen Bewohnerinnen und Bewohnern nehme ich mir auch gerne mal mehr Zeit, um die Mimik zu interpretieren. Interpretation ist in der Pflege ist ein sehr grosses Thema, denn sie ist individuell – also von Mensch zu Mensch verschieden. Ich merkte, dass meine Haltung diesen Menschen gegenüber, eine enorm grosse Rolle spielt. Auch das Interesse für diejenige Person ist wichtig, denn ohne Interesse an einer Person kann es zu falschen Betrachtungsweisen kommen.

Wie geht man damit um?

Vor kurzen traf bei uns ein Mann ein. Ein neuer Bewohner, der letztes Jahr ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Er kann sich weder eigenständig mobilisieren noch sprechen. Zudem äussert er sich durch Schreien und laute Töne, wenn ihm etwas nicht gefällt und macht so auf sich aufmerksam. Anfangs war diese Situation für das Team herausfordernd, weil der Bewohner kaum auf unsere Interventionen reagierte. Wir probierten stets Neues aus, doch ich hatte den Eindruck, dass es dem Bewohner nicht immer gefiel, was wir taten. Sei es das Mobilisieren, eine gewisse Lagerung oder auch nur eine Berührung. In meiner Ausbildung lernte ich «die Augen zu lesen». Es heisst nicht umsonst, dass die Augen die Türe zur Seele sind. Mit der Zeit gelingt es uns immer besser anhand der Mimik des Bewohners zu erkennen, ob er zufrieden ist oder nicht. So lernen wir ihn immer näher kennen und können ihm dadurch die optimale Pflege bieten. Ich merke auch, dass er vermehrt auf meine Worte reagiert, sei es mit den Augen oder einem grossen Lachen.

Mich nicht mehr mitteilen zu können, wäre eines der schlimmsten Dinge für mich. Dadurch würde ein grosser Teil meiner Autonomie, meiner Persönlichkeit und meiner Selbstsicherheit verschwinden. Deshalb ist es umso wichtiger, richtig hin zu schauen und nicht nur das zu sehen, was man sehen möchte. 

Bemerkungen

Vanessa Natalia Kosiewicz

Vanessa Natalia Kosiewicz startete im Sommer 2019 ihre dreijährige Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit Im Pflegezentrum Gehrenholz. Warum sie sich für eine Ausbildung im Gesundheitswesen entschieden hat und wie sie die Arbeit in der Langzeitpflege erlebt, erzählt sie im PulsBlog.

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