Auf der Psychotherapiestation, auf welcher ich arbeite, betreue ich insbesondere Frauen, welche die Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung haben. Eines der Hauptkriterien dieser Erkrankung ist die chronische Suizidalität. Man spricht von Suizidalität nicht nur, wenn eine Person gezielt plant sich das Leben zu nehmen, sondern auch, wenn die Gedanken sich häufig um den Freitod drehen. Gerade das ist der Punkt, weshalb wir trotz unseres selbstmordgefährdeten Klientels die Abteilung meistens offen führen können. Es ist Teil des Therapiekonzepts, mit den Patientinnen eine gemeinsame Lösung zu finden, wie ihre Sicherheit gewährleistet wird, ohne dass wir als interdisziplinäres Team die volle Verantwortung für sie übernehmen.
Wir spielen also den Ball an die Borderline-Betroffenen zurück. Dies kommuniziere ich ihnen als Pflegefachperson ehrlich und direkt. Das bedeutet ebenso, dass ich ohne um den heissen Brei zu reden, die Suizidalität einer Patientin erfragen muss. Ich frage zum Beispiel nach, ob ich mir Sorgen machen muss, ob es Gedanken an den Tod gibt, weshalb es diese Fantasien gibt und ob schon Pläne geschmiedet werden. Anhand der Fragen, bzw. der Antworten, muss ich entscheiden, ob weitere Massnahmen zu treffen sind, ob ich Kontakt zum ärztlichen Personal aufnehme oder sogar vorübergehend die Station schliesse. Wir können mit den Patientinnen aber auch sogenannte „Sicht- oder Kontaktkontrollen“ vereinbaren. Das bedeutet, dass wir von der Pflege mit der betroffenen Person beispielsweise alle 15, 30 oder 60 Minuten Sichtkontrollen durchführen oder gar eine Kontaktaufnahme machen. Darüber hinaus kann es bis zur 1 zu 1 Betreuung kommen. Dabei ist ununterbrochen eine Pflegeperson bei der Patientin oder dem Patienten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dieses Verfahren wird vermehrt auch in der Alterspsychiatrie bei sturzgefährdeten Personen angewendet.
Als weitere Sicherheitsmassnahme wird auf den Abteilungen möglichst dafür gesorgt, dass keine scharfen Gegenstände wie Messer, Scheren oder Klingen zugänglich sind. Nebst der Selbstmordgefährdung unserer Patientinnen, verletzen sich viele von ihnen auch selbst. Dies nicht nur im Rahmen ihrer Suizidalität, sondern beispielsweise auch zur Stressregulation. Selbst hier muten wir aber den Frauen die Eigenverantwortung zu. Auf der Therapiestation sind alle zu behandelnden Personen freiwillig eingetreten. Im Gegensatz zu den Akutstationen schaut also keiner vom Pflegepersonal das Gepäck der Patientinnen durch, sondern wir fragen nach, ob sie Dinge haben, welche sie uns abgeben sollten. Dazu gehören ebenso Medikamente. Als Team müssen wir die Übersicht behalten, wo wie viele Scheren und Messer gerade frei zugänglich auf der Abteilung sind oder ob eine Patientin eben noch ihren Rasierer im Stationszimmer geholt hat und wann sie diesen wieder bei uns abgibt. Somit helfe ich den Patientinnen, sich vor selbstschädigendem Verhalten zu schützen, ohne ihnen die Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit zu nehmen. Dies entspricht auch viel mehr dem Leben, welches ausserhalb der Klinik wieder auf die zu behandelnden Personen wartet und beugt einer Abhängigkeit vom Pflegepersonal vor.
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