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Let the sunshine in – Die Sonnenseite der Pflege

  • Esther Peyer

In diesem Jahr wurde die Pflege zur «Heldin», und die ganze Schweiz bekam hautnah Einblick in den Schichtalltag einer Pflegefachfrau. Für mich war der Film eine Achterbahn der Gefühle, ein permanentes Spiegeln meiner eigenen Erfahrungswelt in der Pflege. Ja, so einen Alltag haben wir alle schon einmal erlebt. Doch warum steigen wir immer wieder in den Ring und stellen uns diesen schönen und schwierigen Themen, die der Film mal liebevoll, mal knallhart aufzeigte? Ich machte mich auf die Suche nach dem Warum. Dieser Post widmet sich den Sonnenseiten der Pflege und zeigt, wie wir Pflegepersonen es täglich schaffen, den Schattenseiten die Stirn zu bieten.

Dazu möchte ich zuerst eine Geschichte erzählen. Nach einem Sturz mit einem Oberschenkelhalsbruch und einem Aufenthalt in einer Rehaklinik kam Frau G. zu uns in die Langzeitpflege. Themen wie starke Schmerzen, Depression und Sterbewunsch waren sehr präsent. Was sie in diesem Moment brauchte, war unsere Pflege und viel, viel Geduld. Es dauerte gut ein dreiviertel Jahr, bis sie mit neuer Hoffnung im Herzen wieder in ihr eigenes Zuhause zurückkehren konnte. In ihrer Dankeskarte schrieb Frau G. an uns folgenden Satz: «Ohne Sie und das Team hätte ich keine Hoffnung mehr gehabt.» Was für ein Erfolg!

Esther round
«Themen wie starke Schmerzen, Depression und Sterbenswunsch waren sehr präsent. Was sie in diesem Moment brauchte, war unsere Pflege und viel, viel Geduld.» 

Nach solchen Erlebnissen flattert das Cape der Heldin und des Helden. Wir fühlen die zutiefst spürbare Erfüllung und Sinnhaftigkeit unserer Arbeit. Die Sonne geht auf und sie scheint auf unseren schönen und stolzen Beruf. Ihre Strahlen erfassen Themen wie Beziehung, Hilfsbereitschaft, Wissen über Krankheitsbilder und Wirkmechanismen von Medikamenten. Sie kitzelt an Bereichen wie Freundschaften im Team, individueller Alltag und Lektionen für das Leben. Sie durchleuchtet das Herz der Pflege, die tiefe Befriedigung, mit und für Menschen zu arbeiten, und nahe am Puls des Lebens zu sein.

Was uns begeistert ist die tägliche Verschmelzung von Theorie und Praxis. Das enorme Wissen, das wir über das Menschsein erlernen, wird im Pflegealltag immer wieder aufs Neue eingesetzt. Das spontane Anpassen an aktuelle Situationen und Wahrnehmungen macht das Arbeiten mit Menschen mit Demenz so bereichernd. Dabei trägt jeder Tag seine eigenen Bedürfnisse. Diese zu erfüllen, erfüllt einen selbst. Das Lächeln eines Menschen ist mehr wert als der Goldkessel am Ende des Regenbogens und zeigt, dass man in dem Moment genau richtig gehandelt hat. Jedes Mal, wenn man unsere ausgestreckte Hand ergreift, wird uns Vertrauen geschenkt. Sich auf jemanden einzulassen bedeutet, die Welt durch die Augen eines anderen zu sehen und in den Schuhen des anderen zu gehen.

«Das spontane Anpassen an aktuelle Situationen und Wahrnehmungen macht das Arbeiten mit Menschen mit Demenz so bereichernd.»

Wir spüren dabei die grosse Verantwortung – den Menschen gegenüber, die wir täglich pflegen. Diese Verantwortung wird unterstützt von einem zusammenhaltenden Team, wobei jedes Teammitglied einen Teil davon auf seinen eigenen Schultern mitträgt. Es wird miteinander interdisziplinär Hand in Hand gearbeitet, voneinander gelernt, ausgetauscht und an Lösungen gearbeitet. Zusehen zu können, wie pflegerische Massnahmen zur Linderung oder Verbesserung von krankheitsbezogenen Problemen führen, erfüllt einen mit Stolz. Viele verschiedene Menschen brauchen individuelle Lösungen, und das macht den Pflegeberuf so einzigartig.

In der Pflege zu arbeiten bedeutet, einen wichtigen Teil zur Sicherheit und Mitgestaltung der Gesellschaft beizutragen. Es bedeutet, Ängste zu mindern, Sorgen mitzutragen und Trauer aufzufangen. Es bedeutet, Hoffnung zu stärken, Freude zu teilen und Liebe zu schenken. Pflege ist gestaltbar, erfahrbar, elementar, wunderbar. Es ist Zeit, dass wir uns alle zusammen wieder ihrer Sonnenseite zuwenden, denn wer sein Gesicht zur Sonne wendet, lässt die Schatten hinter sich fallen.

«In der Pflege zu arbeiten bedeutet, einen wichtigen Teil zur Sicherheit und Mitgestaltung der Gesellschaft beizutragen. Es bedeutet, Ängste zu mindern, Sorgen mitzutragen und Trauer aufzufangen.» 
Esther round

Ich bedanke mich herzlich bei all meinen Arbeitskolleg:innen, deren Inspiration und Leidenschaft für die Pflege diesen Blog mitgestaltet haben.

Bemerkungen

Esther Peyer

Esther Peyer ist diplomierte Pflegefachfrau im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach der Stadt Zürich und berichtet über Themen und Situationskomik aus der Langzeitpflege. Mit ihren Blogs möchte sie Menschen im Pflegeberuf, oder jene, welche sich für die Pflege interessieren, zum Nachdenken, Mitfühlen und Schmunzeln anregen, ohne dabei Schwierigkeiten zu tabuisieren.

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