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Heldin des Alltags

  • Michaela Maureen Königshausen

Es ist eine meiner Aufgaben als pflegerische Bezugsperson und DBT-Skillstrainerin die Patient:innen dabei zu unterstützen, ihre persönlichen hilfreichen Strategien zu finden, um sich in einer Stresssituation regulieren zu können. Wie ich dadurch selbst zur „Stressbewältigungsstrategie“ von mehreren Patient*innen wurde, erfahrt ihr in dieser wahren Geschichte.

Als "Skill" ist in der Dialektisch Behavioralen Therapie eine Fertigkeit gemeint, welche einem Menschen hilft im Umgang mit Stress, Hochanspannung, intensiven und schwierigen Gefühlen oder auch bei Suchtdruck, Flashbacks, Stimmen hören oder Panikattacken. Dabei sind die Möglichkeiten und Ideen beinahe unbegrenzt. Es ist allerdings nur ein "Skill", solange dieser weder kurz- noch langfristig irgendjemandem Schaden zufügt. Gemeinsam mit den Patient:innen suchen wir nach Ideen, bereits positiven Erfahrungen, Ressourcen und vor allem nach den eigenen Zugangskanälen. Das bedeutet herauszufinden, welche Form von "Skill" einen selbst noch erreicht bei hoher Anspannung. So verschieden die Personen sind, die ich begleite, so individuell sind auch die passenden Strategien, die sie benötigen, um sich wieder einigermassen entspannen zu können.

Dabei begleite und motiviere ich manche darin Neues auszuprobieren. Konkret heisst das auch, mal ganz praktisch mit meinem Gegenüber rauszugehen und barfuss auf Kieselsteinen zu laufen. Oder Liegestützen zu machen, in ein saures Bonbon zu beissen oder ein Rätsel zu lösen. Nebst den gerade aufgezählten physischen Skills gibt es auch diverse welche nur im Kopf ablaufen oder maximal eine kleine Karte als «Anleitung» dient. Gerne werden solche Strategien als «Hirn-Flick-Flacks» bezeichnet. Beispielsweise von der Zahl 100 immer wieder sieben abzuziehen, bis es nicht mehr geht, oder das Alphabet rückwärts aufzählen und so weiter. Simple Achtsamkeitsübungen, wie alle roten Gegenstände in unmittelbarer Nähe benennen, werden ebenso trainiert. Dies veranlasst einen dazu umherzublicken, was einerseits einen orientierenden Effekt hat und einen gedanklich beschäftigt. Verschiedene Atemübungen gehören ebenso zur breiten Palette der Achtsamkeit.

Die Heldin oder der Held des Alltags ist genauso ein "Skill", welcher gedanklich angewendet werden kann. Hierbei sollen sich die Patient:innen eine Person ausdenken, real oder fiktiv, welche für sie eine Art «Vorbild» ist. Es ist wichtig, dass man sich jemanden aussucht, der nicht perfekt ist und im besten Falle schon schwierige Episoden im Leben erfolgreich gemeistert hat. Manche wählen Filmcharaktere, Musiker:innen, eine gute Freundin oder den Lieblingsonkel. Schliesslich, wenn herausfordernde Situationen auf einen treffen, soll man sich eben die «Heldin des Alltags» visualisieren und sich fragen «Was würde sie/er tun?», um dann genau so, anstelle von im schlimmsten Fall destruktiv zu handeln. Eine weitere Idee ist, innerlich einen «Dialog» mit dem Helden/der Heldin zu führen, um sich einen guten Rat zu holen. Denn bekanntlich sind insbesondere Menschen mit einer Traumafolgestörung sehr empathisch und wissen häufig genau, was gerade das Richtige ist.

Von den bisher ca. 20 Patient:innen, welche ich in der Spezialtherapie schon begleiten durfte, gab es dann mit der Zeit, und dies unabhängig voneinander, immer mehr, die mich fragten: «darf ich denn auch Sie als Heldin des Alltags nehmen?». Als mir die Frage zum ersten Mal gestellt wurde, war ich noch etwas unsicher und besprach dies im interdisziplinären Team. Doch die Antwort lag eigentlich auf Hand: Solange es funktional ist, ist es gut. Daher gibt es mittlerweile einige Patient:innen «da draussen», die in ihrem Krisen-/Notfallkärtchen stehen habe: «What would Königshausen say?»

Bemerkungen

Michaela Maureen Königshausen

Im Frühjahr 2019 schloss Michaela Maureen Königshausen ihr Studium zur diplomierten Pflegefachfrau HF ab. Ihre Praktika absolvierte sie alle in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, wo sie anschliessend ihren Platz auf einer Therapiestation für junge Frauen gefunden hat. Mittlerweile ist sie als Berufsbilder*in tätig und seit Herbst 2022 Fachexpertin. Die Station hat sich auf die Dialektisch-Behaviorale-Therapie, sowie Traumatherapie spezialisiert.

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