Das Lustige daran ist, entweder ist die Beziehung zwischen mir und den Patienten eher zu distanziert oder dann eher zu nahe. Ich selber merke ganz genau, wo die Grenzen liegen, für die meisten Patienten ist dies aber oft nicht so ersichtlich, da es für sie nicht kollegial genug geht.
Mit den einen geht die Konversation nicht über „Guten Morgen“ - „Guten Morgen“, „Gut geschlafen?“ - „Es geht“, „Hier sind ihre Medikamente“ - „Danke“, „Bis später“ - „Bis später“ hinaus. Aber das ist in Ordnung so, denn eine gekünstelte Beziehung ist definitiv kontraproduktiver. Jeder Patient kann selber entscheiden, mit wem er eine tiefere Bindung möchte und mit wem nicht.
Dann gibt es noch das Gegenteil; diejenigen, welche die Grenze nicht kennen und am liebsten gleich eine Facebook-Freundschaft beginnen wollen.
Und zuletzt gibt es noch eine Patientin, welche ich von Anfang an nicht einschätzen konnte und immer noch nicht kann. Sie hat den gleichen Jahrgang wie ich, hat viel Negatives erlebt in ihrer Vergangenheit und kämpft nun gegen ihre Persönlichkeitsstörung an. Bei ihr spürt man, finde ich, das Borderline am deutlichsten; mal ist sie total euphorisch und lacht lauthals durch die Gänge (welche eine Höhe von schlecht geschätzten 4 Metern hat, was ein hallendes Geräusch verursacht) und keine 10 Minuten später läuft sie schluchzend zurück in ihr Zimmer.
Wenn man sie in einem schwierigen Moment erwischt, kann sie einen mit schweigend-vernichtendem Blick anstarren. In einem solchen Moment lass ich sie, sofern sie nicht etwas Anderes wünscht, alleine und schaue später nochmals vorbei.
Speziell bei ihr ist jedoch, dass sie einen Augenblick später wieder wie eine beste Freundin ist, die mit einem lacht und mit welcher man Pferde stehlen könnte.
Es geht darum - einfach gesagt - die Nähe- und Distanzregeln richtig zu befolgen, aber ich muss sagen, ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig werden kann. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich mir selber sage, dass ich nicht zu sehr über einen Witz lachen, oder zu tief in ein eher persönliches Gespräch rutschen darf. Und dies stellt sich komplett gegen meine Natur; ein künstliches Ablehnen einer freundschaftlichen Beziehung.
Allerdings macht es einfach Sinn, sich an die Nähe- und Distanzregeln zu halten. Alles andere könnte therapiestörende Auswirkungen haben und dies ist ja nicht der Sinn und Zweck eines Klinikaufenthaltes.
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