Als Olivia F. in die Beratung kommt, hat sie schon einige Ideen erwogen, wie zum Beispiel den Bachelor in Pflege zu absolvieren oder ganz weg vom Spital und in den Versicherungsbereich zu wechseln. Doch nichts überzeugt sie richtig. Sie sieht sich nicht als Büromenschen, sondern mag es, in Bewegung und mit Menschen zu arbeiten. Zurück ans Bett will Olivia F. auch nicht, denn auf die regelmässigen Arbeitszeiten möchte sie keinesfalls verzichten. So hat sie über die Zeit den Eindruck gewonnen, in einer Sackgasse festzustecken und alleine nicht mehr herauszufinden.
Zu viel unter dem Hut
Im Gespräch wenden wir uns zuerst einmal dem Werdegang und den Ideen zu, welche Olivia F. bereits überprüft und teilweise verworfen hat. Dabei wird deutlich, dass sie vielfältige Interessen hat und diese auch verfolgen will. Neben dem beruflichen Vollzeitpensum ist sie in der Freizeit sehr engagiert. Sie ist begeisterte Sportlerin und in einem Club aktiv. Wichtig ist für sie ausserdem, genügend Zeit für Reisen, ihre Familie und den Freundeskreis zu haben. Offensichtlich geht es darum, ganz viel unter einen Hut zu bringen. Das gelingt nicht immer so leicht, vor allem, wenn die Interessen in ganz unterschiedliche Richtungen weisen.
Den Horizont öffnen
Darum schlage ich vor, den Horizont zu öffnen und die beruflichen Fragen in den gesamten Lebenszusammenhang zu stellen. Das bedeutet, erst einmal die Spannweite der beruflichen und privaten Interessen zu erfassen und auszuloten, um sie dann in einem nächsten Schritt zu gewichten und gegebenenfalls in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen. Manchmal geht es bei einer Fülle von Varianten um einen Entscheid im Hinblick auf ein Nacheinander (was wird zuerst realisiert) und nicht um einen Entscheid im Hinblick auf eine Auswahl (was wird realisiert und was nicht). Olivia F. nimmt nach der ersten Sitzung Aufgaben mit, um strukturiert den angesprochenen Themen zu Arbeit und Freizeit weiter nachzugehen.
Thema Familienplanung
Zum zweiten Gespräch kommt Olivia F. mit vielen Notizen. Sie hat zur Bearbeitung der Aufgaben auch ihr Umfeld einbezogen und um Rückmeldungen gebeten. Viel Neues hätten die Aufgaben inhaltlich nicht aufgezeigt, meint sie zuerst. Doch die Aufgaben ermöglichten ihr einen neuen Blick auf etwas Bekanntes: Es ist für sie klar geworden, dass der Veränderungsbedarf vor allem im privaten Bereich liegt. Die Familienplanung ist das zentrale Thema, das sie beschäftigt und voranbringen möchte. Doch da fehlt momentan der Partner, und einfach warten will sie nicht. Also überlegte sie, eine berufliche Veränderung anzupacken, um die Zeit sinnvoll zu überbrücken. Das klingt vernünftig und funktioniert trotzdem nicht immer, weil oft die richtige Motivation dazu fehlt. Vielleicht könnte es auch darum gehen, ihren Wunsch nach Familie ernst zu nehmen und ins Zentrum zu rücken und das Berufliche nebenher laufen zu lassen. Manchmal ist es wichtig, sich einer «Leerstelle» auszusetzen und die Spannung, die das mit sich bringen kann, auszuhalten – um dann daraus die Klarheit für den nächsten Schritt zu gewinnen.
Stelle mit Flexibilität
Im Hinblick auf den beruflichen Veränderungsbedarf zeigt sich, dass ihre jetzige Stelle zwar fachlich nicht die optimale Herausforderung darstellt, jedoch für den privaten Bereich optimale Voraussetzungen bietet. Sie erlaubt ihr grösste Flexibilität, welche sie jetzt viel mehr zu schätzen weiss, nachdem die beruflichen
Tätigkeit in der Wertehierarchie einen anderen Platz gefunden hat. Sie hat erkannt, dass sie so den Fünfer und das Weggli hat.
Ausserdem stellt Olivia F. fest, dass Planen und Organisieren eine besondere Stärke von ihr darstellen und sie wird deshalb mit ihrer Vorgesetzten eine Weiterbildung in Richtung Führung thematisieren.
Bemerkungen