Fremdbestimmung abbauen
Ausgehend vom Satz von Reinhard Sprenger: "Das Burnout ist vollständig unabhängig davon, was, wie viel oder wie lange wir arbeiten. Es ist ausschliesslich das Resultat erlebter Fremdbestimmung" (oder die Kurzversion: Burnout ist das Resultat erlebter Fremdbestimmung) schauen wir gemeinsam ihre jetzige Stellensituation auf diesen Aspekt hin an. Wo, in welchen Situationen, erlebt Katharina Selbstbestimmung? Wann, bei welchen Gelegenheiten, Fremdbestimmung? Und welche Faktoren sind dabei entscheidend? Wir sammeln verschiedene Beispiele für erlebte Fremdbestimmung. Für Selbstbestimmung nehmen wir Tätigkeiten aus ihrer Freizeit dazu, weil ihr im Arbeitsbereich kaum etwas einfällt. Im Verlauf des Gesprächs wird deutlich, dass das Mass an Fremdbestimmung in den letzten Monaten stark zugenommen hat und zeitlich zusammenfällt mit einem Führungswechsel. Durch die neue Vorgesetzte fühlt sich Katharina nur noch gefordert und nicht mehr gefördert. Wenn sie Rückmeldungen zur Arbeit erhält, dann in Form von Kritik. Anerkennende Worte fehlen weitgehend und das empfindet sie als zutiefst ungerecht: selbst unter Personalmangel und Zeitdruck leistet sie gute Arbeit, was ihr auch von anderer Seite bestätigt wird. Des Weiteren stellt sie fest, dass ihre Arbeit vom Fachlichen her im Laufe der Zeit langweiliger geworden ist. Routine macht sich breit. Sie möchte einen Schritt weiter gehen und fürchtet, dass die Vorgesetzte das nicht unterstützen wird.
Auch gute Momente
Für Katharina ist es erleichternd, ihre Erwartungen und ihren Unmut auf den Tisch zu legen, statt wie bis anhin unausgesprochen mit sich herum zu tragen. Das diffuse Gefühl von Erschöpfung und Blockierung erhält ein Gesicht, einen Namen. Es ist nun für sie verständlicher und damit auch weniger bedrohlich, was sie empfindet. Katharina möchte nun am liebsten gleich eine Schritt weiter gehen und überlegen, welche Weiterbildung - aufgrund ihrer gewonnenen Erkenntnisse - für sie sinnvoll sein könnte. Mir scheint jedoch die momentane Situation noch nicht ausreichend erfasst und ich bitte sie, bis zum nächsten Gespräch bei der Arbeit darauf zu achten, was sie im Verlauf einer Schicht bezüglich Fremd- und Selbstbestimmung wahrnimmt und das kurz zu notieren. Als wir uns einen Monat später wieder treffen, erzählt sie, wie der Druck gewichen sei, ohne dass ihr Problem allerdings ganz gelöst sei. Die Hausaufgabe hat ihr gezeigt, dass es bei der Arbeit sehr wohl auch gute Momente gibt und dass sie, wenn sie achtsam ist, diese auch fördern kann.
Aufmerksam sein
Aus dieser Aufmerksamkeit heraus hat sie sich entschieden, im pädagogischen Bereich einen Kurs zu besuchen. Sie betreut bereits jetzt - ohne entsprechende Weiterbildung - Lernende und dies ist eine Art der Herausforderung, die ihr sehr gefällt und entspricht. Sie möchte die restliche Zeit mit mir nutzen, um das Gespräch mit ihrer Vorgesetzten vorzubereiten. Zwei Monate später erhalte ich einen Brief, in dem Katharina W. schreibt, dass sie für den Kurs angemeldet ist, den sie sich für die pädagogische Vertiefung herausgesucht hat. Im Gespräch mit der Vorgesetzten hat sie sehr viel Anerkennung erfahren, die auch konkret wirksam wurde, indem sie Katharinas Weiterbildungswunsch unterstützt und erfolgreich nach oben vertreten hat. Das Thema Burnout ist noch nicht weg vom Tisch, aber es ist klar in den Hintergrund getreten.
Bemerkungen zum Schluss
So wie am Anfang der Beratung ein Satz für den weiteren Verlauf hilfreich als Orientierung war, passt nun zum Ende ein anderer Spruch vom buddhistischen Mönch Thich Nhat Hanh: "Achtsamkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für Freiheit, denn nur dann haben wir die Chance zu wählen."
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