Ehrlich gesagt war ich anfänglich wenig begeistert von diesem Praktikum, da es mir sehr gut gefällt in der Psychiatrie und ich ziemlich heikel bin, wenn es um Körperflüssigkeiten und Gerüche geht. Dennoch versuchte ich neutral und möglichst optimistisch anzutreten und mich auf alles einzulassen.
Nun habe ich schon mehrere Wochen im Alterszentrum Adlergarten gearbeitet (wegen Schul- und ÜK-Tagen können diese Tage jedoch an zwei Händen abgezählt werden) und mich bereits ziemlich gut eingelebt. An die verschiedensten Gerüche konnte ich mich zwar bisher nicht gewöhnen - und dies wird vermutlich auch nie mehr passieren - aber an die Dankbarkeit und Gutmütigkeit der Bewohner jedoch schon. Anfangs war es ziemlich unangenehm, für jede noch so kleine Sache ein Dankeschön zu bekommen, aber eine solche Bestärkung nimmt man natürlich gerne an.
Im Gegensatz zum Psychiatriealltag arbeite ich jetzt körperlich. Körperlich schwer, wage ich zu behaupten. Da ich mir dies überhaupt nicht gewohnt bin, beendete ich bis jetzt jeden Arbeitstag mit irgendwelchen Schmerzen. Ich hoffe, meine Muskeln, aber auch mein Wissen, wie ich die Bewohner am besten (für beide Parteien) mobilisieren und transferieren kann, wachsen schnell.
Bereits in dieser kurzen Zeit konnte ich viel lernen und meine Handgriffe verbessern sich mit jedem Mal. Die Abläufe muss ich mir auch nicht mehr so akribisch genau aufschreiben, so dass ich auch ja nichts vergesse.
Mir wurden fix vier Bewohner/innen zugeteilt, für die ich verantwortlich bin (natürlich nicht komplett alleine). Jede/r dieser Personen ist individuell in ihren Meinungen, Gewohnheiten, aber auch Wünschen. Einem meiner Bewohner zum Beispiel darf man beim Rollstuhl nie die Bremsen anziehen, da er sich sonst selbst umstossen könnte. Eine andere Bewohnerin möchte ihre Haare immer streng zusammengebunden haben, weil sie sich sonst nicht wohl fühlt. Solche Dinge sind zwar klein, dafür aber essentiell.
Was mich persönlich total fasziniert sind die Geschichten von früher, welche ich oft zu hören bekomme. Eine Bewohnerin zum Beispiel war mal Model und Sängerin, was zu dieser Zeit damals eher aussergewöhnlich war. Sie erzählte, dass ihre Mutter alle Agenturmanager kennen lernen wollte, bevor sie mit ihnen für ein Casting oder eine Modenschau verreisen durfte. Es sei die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Auch heute noch achtet sie sehr auf ihr Aussehen; sie verlässt ihr Zimmer kaum ungekämmt und manchmal schminkt sie sich - wenn auch etwas extravagant.
Diese paar Monate werden sehr lehrreich für mein gesamtes Leben sein. Dennoch sehe ich mich langfristig eher in der Welt der Psychiatrie, wobei mir die Erfahrungen aus der Langzeitpflege viele neue Inputs geben.
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