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Berührt sein oder werden? Das ist hier die Frage

  • Katharina Rüdisüli

Lasst uns darüber reden. Über dieses fettige schmierige Weiss. Diesen unverkennbaren Geruch, der dir selbst im Tram gerochen, sofort ein Déjà-vu verschafft. Du kennst sie? Die Eine? Die Creme für fast alle? Für jede Haut mit ihrer ganz eigenen Geschichte.

Je nach Klinik wird ein anderes Produkt verwendet. Doch ich weiss jeweils genau, wie sie sich auf meinen Handflächen anfühlt. Ich bin schlecht im Schätzen. Das lag mir schon in der Unterstufe nicht. Aber ich denke, ich habe mindestens das Volumen einer vollen Badewanne an dieser Creme in fremde Beine einmassiert. Das mit dem Rückfetten klappt ganz gut. Nicht nur die Haut glänzt nachher wieder wie in jungen Jahren, nein auch meine Hände und alles was ich anfasse, glänzt mit. Die Zeit, bis die Creme eingezogen ist, übersteigt oft meine Geduld im durchgetakteten Spitalalltag. Darum ziehen wir Pflegenden manchmal auch Handschuhe an.

Das Eincremen ist aber der Verwöhnteil des Waschprogramms. Die Haut soll nicht nur gepflegt und geschützt werden. Ein bisschen Entspannung nach der Strapaze soll auch sein. Berührungen sind für Menschen echt wichtig. Wir bauen bei Berührung Stresshormone ab. Nicht nur das, es werden Sensoren in der Haut aktiviert, die dafür sorgen, dass das Hirn das Glückshormon Oxytocin ausschüttet. Es wird auch das Kuschelhormon genannt und fördert den Aufbau einer emotionalen Beziehung. Dies ist für Babys und ihre Entwicklung sehr wichtig. Wissenschaftliche Untersuchungen haben noch viele weitere Vorteile in der Berührung entdeckt. Das Immunsystem wird gestärkt, Ängste überwunden und Schmerzen gelindert. Vorteile, die im Spitalalltag jedem helfen, schneller gesund zu werden. Darum versuche ich so oft wie möglich, auf Handschuhe zu verzichten und mir bewusst Zeit zu nehmen für das Eincremen, das "Grande Finale" der Wascheinheit.

Berührungen auf der Intensivstation angenehm zu gestalten, ist nicht immer einfach. Viele unserer Kinder schlafen, weil wir das mit Medikamenten so steuern und dies für ihren Heilungsprozess wichtig ist. Überall kleben Überwachungssonden. Da ist manchmal kaum Platz für Berührung. Und doch ist es alles, was Angehörige tun können. Die Eltern wollen ihr Kind halten, da sein und lindern helfen. Sie sehnen sich nach dem Moment, als Kuscheln ohne nachzudenken möglich war. Meist streicheln sie dann von Kopf bis Fuss jeden Zentimeter Haut, den sie finden. Stellen Sie sich vor, Sie liegen im Bett, dösen vor sich hin und dann ist da eine wiederkehrende Berührung an Ihrer Hand, die Sie nicht zuordnen können. Genau, ich würde mich auch mit aller Kraft dagegen wehren, anstatt es zu geniessen. Darum rate ich an dieser Stelle oft, sich ein Körperteil auszusuchen und da zu bleiben. Die Hand einfach zu halten, abzuwarten, Wärme zu schenken und in diesen sanften Druck all die Liebe zu legen, die in einem ist. Egal wie schlafend die Kinder sind, sie spüren, wenn jemand da ist.

Bist auch du berührt? Warum cremst du dann heute nicht mal wieder jemandem, der dir viel bedeutet, den Rücken oder die Füsse ein? Schenk ein wenig Berührung! Nicht nur die Haut wird dir dafür dankbar sein.

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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