Ein Klient, den ich einige Male bei der Körperpflege unterstützt habe, ist etwa Mitte 80 und Hemiplegiker. Dies bedeutet, dass er halbseitig gelähmt ist. Er ist seit knapp 55 Jahren mit seiner Ehefrau verheiratet. Seine Frau unterstützt ihn, wo sie nur kann. Aber der Klient ist auch ein Kämpfer und hat sich von seinem Gesundheitszustand nicht runterziehen lassen. Er hat tapfer weitergemacht und kann heute bereits vieles wieder selber machen. Durch seine kleinen Tricks kann er sich selbstständig anziehen und bei der Teilwäsche benötigt er auch nur noch dezent Hilfe. Wir von der Spitex übernehmen bei ihm die Teilwäsche am Lavabo, um die Frau etwas zu entlasten, jedoch übernimmt sie die Ganzwäsche und unterstützt ihn bei allen anderen alltäglichen Aktivitäten des Lebens.
Während meiner Einsatzzeit, welche in der Regel bei ihm 50 Minuten dauert, erzählt mir der Klient immer wieder, wie sehr er seine Frau schätzt und wie sehr er sie liebt.
An einem Tag war der Klient stark erkältet. Er litt an Erbrechen und Durchfall. An dem Tag erzählte er mir umso mehr von seiner Frau. Er meinte, dass er ihr sehr dankbar dafür sei, dass sie sich so liebevoll um ihn kümmert. Als er davon sprach, wie sie sich kennenlernten und er merkte, dass es Liebe auf den ersten Blick war, sah ich ein Strahlen in seinen Augen. In diesem Gespräch erfuhr ich, dass sie beide in den Bergen aufgewachsen sind. In diesen gemeinsamen 55 Jahren wurden sie Eltern von drei Söhnen, von denen jedoch nur noch zwei leben. Es fasziniert mich, wenn sie mir von den alten Zeiten erzählen und ich lausche dann sehr gespannt. Der Fernsehtisch, die Lampen, die Nachttische, all diese Sachen hat er selber gebaut und seine Frau erzählte mir davon voller Stolz. Sie haben viele schöne Tage aber auch viele düstere hinter sich. Da sie auch in der schweren Zeit immer zueinandergestanden haben, fiel ihnen vieles leichter.
Ich habe selten Paare gesehen, die nach so vielen Jahren noch so glücklich sind. Sich gegenseitig unterstützen und füreinander da sind und zwar in guten, wie in schlechten Zeiten. Genau das habe ich auch dem Klienten gesagt. Er schaute mich an und sagte: "Alte Liebe rostet nicht."
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