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«Wir, die Pflege»

  • Katharina Rüdisüli

Manchmal habe ich ehrlich gesagt keine Lust arbeiten zu gehen. Ich kann nicht einmal genau benennen warum, es ist einfach so ein Gefühl. Ein Widerwillen. Vielleicht, weil es noch früh am Morgen ist und ich lieber in meinem kuschligen Bett bleiben möchte. Oder weil es verlockender wäre, das spannende Buch zu Ende zu lesen. Sobald ich aber im Spital angekommen bin, meinen weissen Kittel übergezogen und die Patient:innen begrüsst habe, ist alles vergessen. Denn ich mag, was ich tue. 

Natürlich ist es hilfreich, dass ich auf der Intensivstation nie alleine bin. Wir sind immer ein Team von Pflegefachpersonen, das zusammen für die Kinder und Jugendlichen da ist. Da diese kritisch krank sind und je nach Diagnose mehr oder weniger Medikamente, unterstützende Geräte und helfende Hände benötigen, betreut eine Pflegefachperson in der Regel maximal ein bis zwei Kinder.
Das klingt jetzt simpel und logisch, in Wirklichkeit ist dieses Jonglieren der Pflegeressourcen gar nicht so einfach. Denn den Kindern sind Fixzeiten relativ egal. Genauso wie die Schockraumanmeldungen und Transportaufgebote auch selten dann kommen, wenn sie gerade passen. Ausser, wir haben jemanden zu Besuch, dann ist es meistens ruhig, wir können alle rechtzeitig auf die Toilette und unsere Pausen einhalten.

Ich habe nun schon einige Ausbildungen im Pflegesektor absolviert. Egal, wie spannend das Gelernte war, das Beste waren immer die Menschen, die mit mir da waren. Der gleiche Humor, ähnliche Lebenseinstellungen und gegenseitiges Verständnis. Ich habe Freundschaften fürs Leben geschlossen. Die einen sehe ich häufiger, die anderen weniger oft. Doch immer sind diese Treffen besonders. Wir lernen von den Geschichten, die die anderen erlebt haben und mit uns – natürlich unter Einhaltung des Datenschutzes – teilen.

Ich fühle mich immer besser nach diesen Diskussionen. Niemand, nicht mal meine Familie und Freunde verstehen meinen Alltag so gut wie meine Pflegefreund:innen. Spät-Früh-Wechsel- und sie verdrehen die Augen. Heute den sechsten Frühdienst überstanden, – und sie gratulieren mir. Gerade im Nachtwachen-Jetlag, abends um fünf noch kein Mittagessen gehabt? Ihr Mitgefühl ist echt. Ich liebe und brauche es, dass es Menschen gibt, die ganz genau wissen, was ich den ganzen Tag tue und wie sich das alles anfühlt. Das gemeinsame Erleben und Durchstehen von all den Emotionen, die den ganzen Tag auf uns niederregnen, verbindet uns.

Bist du einmal gemeinsam mit einer anderen Pflegefachperson an deine Grenzen gekommen, schweisst das echt zusammen. Wir haben sie alle, diese Anekdoten. Das eine Mal, als das Kind so unerwartet im Schwall erbrochen hat, wir konnten nur noch lachen und uns später umziehen gehen. Oder damals, als wir mitten in der Nacht plötzlich reanimieren mussten. Momente, in denen du alleine kaum etwas bewirken kannst, aber gemeinsam das Unheil besiegst.

Gut sind unsere Teams so divers. Da gibt es einfach ALLES. Vom Heavy-Metal-Fan bis hin zur Akrobatin. In jedem kann eine Pflegefachperson stecken. Und das ist grossartig so. Jeder Mensch, egal wie alt und wohlhabend, kann Pflege benötigen. Da ist es perfekt, dass wir Pflegefachpersonen auch alle so einzigartig sind. So gibt es immer eine von uns, die die Patient:innen erreichen kann mit ihrer Art. Manchmal braucht es die passenden Worte, mal eine ulkige Gemeinsamkeit oder einfach nur Charme.

Die Persönlichkeit ist das Eine, Erfahrung das Andere. Unsere Teams bestehen aus Menschen mit verschiedenen soziokulturellen Hintergründen und mehr oder weniger Lebenserfahrungen. Prächtig. Das heisst im Alltag, wenn du nicht mehr weiter weisst, kannst du bei den Erfahrenen nachfragen, ob sie so etwas schon einmal erlebt haben oder mit den frisch Ausgebildeten kreative Lösungen aushecken, da die meist noch ganz unverbraucht bereit sind, einfach einmal auszuprobieren.

Logisch besteht unser Team nicht nur aus Pflegefachpersonen. Die ganzen Therapien, die Reinigungsfachkräfte, die Administration, die Ärzteschaft etcetera sitzen mit uns in diesem Spitalboot. Doch heute feiern wir uns, die Pflege, das Herzstück. Die Kinder treten zwar für die Diagnostik und Operationen ins Spital ein, bleiben aber, weil sie Pflege brauchen.

Und so verlasse ich das Spital nach meiner Schicht meist leicht zerzaust, oft erschöpft, aber immer zufrieden, glücklich und dankbar, dass ich umgeben bin von solch wunderbaren Pflegefachpersonen.

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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