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Wie ich den Schmerz der Patientinnen ertrage

  • Michaela Maureen Königshausen

Wir alle kennen es; wenn unser Herz schmerzt, wir glauben Steine auf den Schultern zu tragen und es uns die Kehle zuschnürt. Schmerzen können Menschen körperlich und seelisch empfinden. In der Psychiatrie bin ich beinahe täglich damit konfrontiert. Dabei leiden die Betroffenen insbesondere unter seelischen Schmerzen, welche viele auch körperlich zu spüren bekommen.

Einige Menschen beginnen durch ihre psychische Erkrankung zu „somatisieren“. Damit ist einfach gesprochen „Psychosomatischer Schmerz“ gemeint, typisch sind Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen. Das liest sich nun möglicherweise so, als müsste man diesen Beschwerden nicht so viel Beachtung schenken. Allerdings ist der Schmerz für die Betroffenen real und wird, wenn man ihn ignoriert, meist schlimmer. Als Pflegefachfrau bin ich für die Patientinnen erste Ansprechperson, wenn sie Symptome haben unter welchen sie leiden und werde von ihnen um Rat oder Linderung gebeten. Hierbei stehen mir verschiedene Vorgehensweisen zu Verfügung, abhängig davon, worunter mein Gegenüber leidet und wie vertraut die Beziehung bereits ist. Bei körperlichen Schmerzen kann ich beispielsweise am einfachsten oder wenn eine Patientin explizit danach fragt auf Analgetika, also Schmerzmittel zurückgreifen. Eine weitere Möglichkeit ist ein ausführliches Assessment mit der Patientin durchzuführen. Das bedeutet genau zu erfassen wie der Schmerz qualitativ und quantitativ ist. Dies kann helfen die Ursache besser zu verstehen und schließlich die passende Lösung zu finden. Manchmal hilft es nur schon sich abzulenken, Atemübungen anzuwenden, an die frische Luft zu gehen oder genügend zu Trinken. Eine weitere Behandlungsmethode ist die Aromapflege. Innerhalb meines Studiums konnte ich Kurse dazu besuchen und habe auch jetzt als Diplomierte die Möglichkeit mich in diesem Bereich zu vertiefen. Am bekanntesten ist hierbei Pfefferminzöl gegen Kopfschmerzen.

Doch wie gehe ich mit dem Schmerz um? Was tun, wenn ich mit den Patientinnen mitfühle? - Darf ich das überhaupt? - Am meisten Mühe damit, mich vom Leid zu distanzieren, habe ich verständlicherweise dann, wenn ich selbst eine ähnliche Situation aus meinem Leben kenne. Dann besteht die Neigung dazu emotional stark involviert zu sein. Dies ist menschlich und mit Maß auch erwünscht. So bin ich kongruent, echt, also fassbar für mein Gegenüber. Denn wir können Hilfe oft besser von Personen annehmen, bei welchen wir spüren, dass sie uns verstehen und mit uns mitfühlen. Was uns Professionelle jedoch von „Nicht-Pflegefachpersonen“ unterscheidet ist schließlich der Umgang danach. Ich habe gelernt mich aktiv damit zu befassen, mich wenn nötig abzugrenzen und dies offen zu kommunizieren. Ich bin es gewohnt oft mit Schmerz in Kontakt zu kommen. Ich kenne es, Hilfe beim Team einzufordern oder von der Institution Unterstützungsangebote zu erhalten und diese anzunehmen. Ich tausche mich aus über gehörtes, gesehenes und gefühltes. Sei es eine tragische Familiengeschichte, eine tiefe Schnittwunde oder lähmende Migräne.

Das obligatorische Dokumentieren meines Pflegealltags erlebe ich ebenfalls als hilfreich, da es wie das Niederschreiben oder „Von-sich-weg-schreiben“ in einem Tagebuch wirkt. Wenn ich am Wochenende alleine in einer Schicht arbeite und keine Möglichkeit habe mich in der Klinik auszutauschen, erzähle ich auch mal meinen Angehörigen Zuhause das was ich loswerden muss. Dabei braucht es keine Namen und so kann ich die Schweigepflicht einhalten. Ebenso nehme ich Sport als äußerst wohltuend war, gerade nach sehr intensiven Arbeitstagen. Dabei kann ich abschalten in dem ich mich körperlich verausgabe und „psychisch“ neue Energie tanken.

Bemerkungen

Michaela Maureen Königshausen

Im Frühjahr 2019 schloss Michaela Maureen Königshausen ihr Studium zur diplomierten Pflegefachfrau HF ab. Ihre Praktika absolvierte sie alle in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, wo sie anschliessend ihren Platz auf einer Therapiestation für junge Frauen gefunden hat. Mittlerweile ist sie als Berufsbilder*in tätig und seit Herbst 2022 Fachexpertin. Die Station hat sich auf die Dialektisch-Behaviorale-Therapie, sowie Traumatherapie spezialisiert.

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