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«Verstande»

  • Katharina Rüdisüli

„Girare“ heisst drehen auf Italienisch, „dobro“ ist Serbisch und heisst gut, „dolores“ bedeutet Schmerzen auf Spanisch und „shkran“ danke auf Arabisch. Ja, manchmal fühle ich mich wie mitten in einem Sprachkurs und wünschte mir Google Translate wäre direkt in meinem Gehirn eingebaut, das wäre sehr praktisch. Es gibt auf der Welt so viele faszinierende Sprachen und ihre Klänge sind melodiös, emotional, oder auch mal rau.

Ich finde, die Sprache ist ein riesiger Bestandteil von Kulturen und zeichnet diese auch aus. Es ist total spannend, den unterschiedlichen Menschen zuzuhören. Herausfordernd wird es dann, wenn ich aber verstehen soll, was gesagt wird und folglich auch noch richtig darauf reagieren soll. Ich weiss, ich spreche aus und das Gegenüber muss hören, verstehen und wieder aussprechen. Nur schon für diesen Ablauf sind zig Nerven, Muskeln und Organe zu koordinieren wie ein Symphonieorchester. Da ist die Interpretation noch nicht einberechnet. Das ist quasi ein eigenes Kapitel. Im Pflegealltag ist die Kommunikation das A und O. Wir beobachten und wollen wissen: Wo sind die Schmerzen und seit wann sind sie da? Nur so können wir präzise helfen und unsere Pflegeplanung individuell auf die Patientin oder den Patienten abstimmen. Ja, und die Patient:innen wünschen sich dasselbe. Auch sie wollen sich mitteilen, verstanden und ernstgenommen werden.

Stell dir vor, du musst mit einem Schnorchel im Mund mitteilen, dass du Durst hast, und zwar sehr. Ja, so kann es dir gehen, wenn du einen Beatmungsschlauch, der bis in deine Lungen geht, im Hals hast. Das Gerät hilft dir zwar beim Atmen, aber es liegt zwischen deinen Stimmbändern. Diese können so nicht arbeiten und so kommen nur sehr unverständliche Laute raus, egal welche Sprache du sprichst. Darum werden wir auch geschult, nonverbale Signale wie Tränen, Schweissperlen auf der Stirn oder deinen Puls zu beobachten. Wir sind echt stets bemüht, herauszufinden, was ihr benötigt.

Säuglinge haben sehr wenige Möglichkeiten, uns ihre Wünsche mitzuteilen. Doch da können wir auf unsere Statistikkenntnisse zurückgreifen. Meist wollen sie entweder essen, eine neue Windel oder noch mehr kuscheln. Kleinkinder wollen manchmal aus Prinzip nicht mit uns reden. Da müssen wir schon einmal den Teddy fragen, ob er weiss, was los ist. Die Eltern haben manchmal so viele Gedanken und Gefühle in ihrem Kopf, die wissen nicht mehr, welche Frage sie zuerst stellen wollten und jene Patient:innen, die aus der Narkose aufwachen, müssen zuerst einmal erkennen, was oben und unten ist.

Eigentlich solltest du in unserem Beruf ein grosser Fan von Rätselspielen sein. Nicht wer ist es, sondern was wollen sie, wäre dann die Devise. Kommen wir mit der gesprochenen Sprache nicht weiter, dann nutzen wir Zeichen oder turnen unser Anliegen pantomimisch vor. Ha! Versuche einmal einen Jugendlichen mit Händen und Füssen zu fragen, ob er heute schon Stuhlgang hatte. Ja, wir haben auch alle gelacht. Wie dem auch sei. Schon als FaGe wurde uns eingetrichtert, dass man nicht nicht kommunizieren kann und über die Jahre sind viele Modelle und Theorien dazugekommen. Die Kommunikation ist gut erforscht und es gibt viele Tricks, die wir dann auch im Alltag versuchen, umzusetzen.

Heute ist es „questo“, was auf Italienisch „das da“ heisst, ein tolles Universalwort. Ungeduldig folgen mir die Patientenaugen aus dem Bett, während ich wie wild auf alle möglichen Produkte, Geräte und sonstigen Dinge zeige. Ich „questo“, er schüttelt den Kopf… also weiter, nein auch nicht das. Dann, die Spannung steigt, das erlösende „si“. Mein Zeigefinger deutet auf die Lippenpomade hin. Bedürfnis erkannt. Rätsel gelöst. Und übrigens, mein Name ist Holmes, Sherlock Holmes.

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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