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Mitzügeln – Wir sind angekommen im neuen Kinderspital

  • Katharina Rüdisüli

Ich mag mich noch an die Medienmitteilung zum Spatenstich erinnern, hatte ich doch erst kurz vorher begonnen, im Kispi zu arbeiten. Das war mittlerweile vor sechs Jahren. Der seit Langem nötige Neubau würde nun nicht mehr nur eine computeranimierte Zeichnung sein, sondern über die Jahre Realität werden.

Während das neue Gebäude in der Lengg Form annahm, folgten zu Hause in Hottingen Optimierungsprojekte am Modell und zig Strukturveränderungen, um für den Sprung in die Moderne gerüstet zu sein. Ich kann unmöglich mitzählen, wie viele Menschen wie oft an Sitzungen teilnahmen, um dieses Mammutprojekt zu realisieren.

Wir arbeiteten unterdessen fröhlich weiter. Wir wussten, was wir für Räumlichkeiten und Material hatten und organisierten uns. Mit dem Fortschreiten des Baus rückte nun auch der Umzugstermin näher. So passten wir bereits im alten Gebäude unsere Arbeits- und Besprechungsfenster an. Wir rüsteten uns mit Anglizismen wie Flow- und Huddleboards, streamten und erfuhren, dass unsere Telefonie mit Shared Devices aufgegleist werden würde.

In der Cafeteria zählte für alle sichtbar der Countdown rückwärts. Jeweils am 2. des Monats wurde zelebriert, dass es nun noch balder soweit sein würde. Es gab Informationen, Schulungen und Dialog-Cafés.

Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. So war ich doch erstaunt, dass mir Mütter und Väter an den Patientenbetten mitteilten, dass sie lieber in Hottingen bleiben würden. Fast wehmütig erzählten sie von all den Geschichten, die sie erlebt hatten. Ich realisierte, dass das Kispi quasi ein Zufluchtsort für zahlreiche Familien, betroffen von chronischen Erkrankungen, geworden ist. Hier fühlten sie sich aufgehoben. Da wurde sich gekümmert. Wir sind ihr sicherer Hafen, wenn der Sturm der Krankheit wütet.

Ich realisierte, dass das Kispi quasi ein Zufluchtsort für zahlreiche Familien, betroffen von chronischen Erkrankungen, geworden ist.

Gut gab es auch die Anderen. Jene, die sich darauf freuten, dass auch auf der Intensivstation Einzelzimmer in grösserer Anzahl zur Verfügung stehen würden. Dass sie den See würden sehen können. Dass das Elternbett vielleicht bequemer werden würde. Oder aber ein Besuch in der Poliklinik kein Orientierungslauf mehr werden würde.

Nach all der Vorbereitung waren wir mehr als parat. Wir besuchten die Baustelle, lernten den Weg zur Garderobe, probierten die neue Berufskleidung an, prägten uns in einem Foxtrail die veränderten Arbeitsprozesse ein und prüften die Stühle im Restaurant auf ihre Bequemlichkeit. An der öffentlichen Besichtigung liessen wir die Welt staunen, wie wir künftig arbeiten würden. Und dann rollten die Zügellastwagen an. Unzählige Kisten mit Materialien standen in unseren Fluren und alle sahen jemanden, der etwas Tolles aus dem „zu entsorgen“-Container fischte.

Unaufhaltsam leerte sich unser Arbeitsplatz. Letzte Dienste gingen in die Geschichte ein und wir verabschiedeten uns von den Linden, an denen wir zu jeder Jahres- und Tageszeit vorbeigeeilt waren.

Mit dem neuen Wimmelbuch wurden unsere Patient:innen und ihre Familien auf den wuseligen Tag vorbereitet. Es wurden Passierscheine verteilt und daran erinnert, den Badge nicht zu vergessen. Dann, endlich, für viele Hauptverantwortliche spätabends, waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Es konnte losgehen.

Ich selbst war am Zügeltag nicht anwesend. Es brauchte zwar viele zusätzliche helfende Hände, aber nicht alle. So gehörte ich zu jener Gruppe, die wie der Rest der Bevölkerung in den Medien mitverfolgte, was abging. Es fühlte sich wie früher an, als nicht alle Kinder der Klasse eine Einladung zur beliebtesten Geburtstagsparty im Quartier erhalten hatten. Es muss grossartig gewesen sein. Meine Mitarbeiter:innen erzählen mit leuchtenden Gesichtern von all den Ambulanzfahrzeugen und dem Ankommen.

Meine Mitarbeiter:innen erzählen mit leuchtenden Gesichtern von all den Ambulanzfahrzeugen und dem Ankommen.

Wir anderen, genauso wichtigen und geschätzten Mitarbeiter: innen, hörten am Freitag in Hottingen auf und starteten am Montag in der Lengg. Das ist mal ein Tapetenwechsel, ich sag‘s euch! Vom Flickenteppichboden zum Säulengang. Schnell haben wir das passende Treppenhaus zur Station gefunden oder wissen bereits, wie lange es dauert, eine Mahlzeit im Restaurant zu erhalten.

Sie sehen hübsch aus, die Patient:innen in den neuen Räumlichkeiten. Während vorher alles seinen Platz hatte, räumen wir aktuell noch Arbeitsmaterialien hin und her. Wir betreiben gerade Arbeitsflächen-Sudoku oder Gehirnjogging für Fortgeschrittene. Während wir noch immer perfekt wissen, wo das Material in Hottingen versorgt war, gewinnen jene Arbeitszeit, die es in der Lengg am schnellsten finden.

Das viele Suchen laugt aus und die Dienste ermüden uns. Dazu gewöhnen wir uns auch mit dem einen oder anderen Fehlalarm an das neue Alarmierungssystem. Auch die Familien müssen sich umgewöhnen und bringen Fragen mit. Trotz aller Vorbereitung ist noch einiges zu klären. Darum erfreuen wir uns erst mal an den kleinen Dingen. Wie die farbigen Buchstaben in den Fluren von den magnetischen Zimmertüren leuchten. Das Sonnenlicht in die Zimmer tanzt und die Patient:innen friedlich vor sich hin schlummern, weil da Wände sind und der Lärm von nebenan einfach ausgeblendet werden kann.

Sicherheit gibt mir, dass mein Team mit mir mitgezogen ist. Gemeinsam werden wir uns organisieren, lernen und adaptieren. Wir werden auch in der Lengg unvergessliche Geschichten schreiben. Daran denke ich mit einem Lächeln im Gesicht, als der Spitalclown und das schwer herzkranke Kind an mir vorbeihüpfen und Seifenblasen tanzen lassen. Zukunft: Wir kommen!

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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