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«Es ist schön, dass Sie so menschlich sind»

  • Michaela Maureen Königshausen

Immer wieder erhalte ich diese Rückmeldung und trotz kritischer Stimmen bleibe ich «menschlich». Die Patient:innen schätzen es ungemein und es erhöht das Vertrauen in der professionellen Beziehung enorm. 

Patient:innen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung, ADHS, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Störung im Autismus-Spektrum weisen alle ihre Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen, beim Selbstwert und im Umgang mit Gefühlen auf. Auf unserer Psychotherapiestation sind die genannten Diagnosen die häufigsten.

Kürzlich habe ich an einem eintägigen Anlass teilgenommen, welcher für alles Berufsbildner:innen in der Pflege organisiert wurde. In dem Rahmen kam ich in den Austausch mit Kolleg:innen von anderen Stationen und Schwerpunkten. Innerhalb eines Workshops, in welchem wir ein Rollenspiel vorzeigten, fiel mir auf, dass ein Grossteil der Pflegenden mir die Rückmeldung gab, dass sie die «Beziehungsarbeit», welche ich präsentierte, für «zu nahe» hielten. Schlagartig fühlte ich mich gekränkt und war irritiert. Denn von den Teamkolleg:innen, den Patient:innen und der Community der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) wurde ich bisher gerade deshalb gelobt und bestärkt. Es beschäftigte mich noch einige Tage lang, und ich stellte mir selbst die Frage, ob ich den Patient:innen «zu nah» bin. 

Jetzt, mit Distanz, sehe ich, dass es insbesondere die Strategien aus der Spezialtherapie sind, welche den stationsfremden Berufsbildner:innen aufgefallen sind. Als DBT-Therapeutin unterstreichen konkrete Kommunikationsstile und -methoden meine Haltung innerhalb der professionellen Beziehung. Im Gegensatz zu wohl vielen Pflege-Patient:innen-Beziehungen ist man in der DBT darum besorgt, sich auf Augenhöhe zu begegnen, oder metaphorisch gesprochen, im selben Boot zu sitzen. Für Menschen, die unerfahren sind im Kontakt mit beispielsweise Borderline-Betroffenen, scheint selbst die professionelle und somit kontrollierte Nähe grosse Angst auszulösen. So bleibt man also gerne reserviert, um sich vermeintlich zu schützen. Allerdings ist gerade dann eine zielführende Zusammenarbeit kaum möglich. Selbst Personen, welche nicht psychisch belastet sind, werden misstrauisch, wenn sie spüren, dass das Gegenüber nicht wirklich da ist, nicht ehrlich wirkt. Demnach hat es die «Nicht-DBTler» vermutlich irritiert, dass ich mich im Rollenspiel mit meinem Gegenüber verbunden habe und mich als Mensch und nicht nur als «Pflegeperson» gezeigt habe. Sich zeigen, und nach DBT «radikal echt» zu sein, kann bedeuten, ab und an etwas von sich persönlich preis zu geben. Es heisst auch, Fehler den Patient:innen gegenüber einzugestehen, sich zu entschuldigen und die eigenen Gefühle anzusprechen.

Ich weiss noch, wie ich zu Beginn in diesem Schwerpunkt genauso Angst hatte. Ich hatte Angst, dass ich so eine Angriffsfläche biete. Doch das Gegenteil ist der Fall: die Patient:innen nehmen es als Stärke meinerseits wahr, wenn ich mich «verwundbar» zeige und betonen darüber hinaus, welch grosse Vorbildfunktion ich damit für sie einnehme.

Dies soll natürlich nicht heissen, dass nur diese Art von Beziehungsgestaltung in der Pflege die richtige ist. Für mich allerdings stimmt es so und ich will meinen Kolleg:innen nur Mut zusprechen, ihre ganz eigene Art und Weise zu finden, um den Patient:innen die bestmögliche Betreuung zu bieten.

Bemerkungen

Michaela Maureen Königshausen

Im Frühjahr 2019 schloss Michaela Maureen Königshausen ihr Studium zur diplomierten Pflegefachfrau HF ab. Ihre Praktika absolvierte sie alle in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, wo sie anschliessend ihren Platz auf einer Therapiestation für junge Frauen gefunden hat. Mittlerweile ist sie als Berufsbilder*in tätig und seit Herbst 2022 Fachexpertin. Die Station hat sich auf die Dialektisch-Behaviorale-Therapie, sowie Traumatherapie spezialisiert.

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