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Eingebrannte Erinnerungen eines Kindernotfalls

  • Katharina Rüdisüli

Ich habe nachgesehen. Das Bundesamt für Gesundheit schreibt, dass als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper gelte. Spannend, oder?

Dass du selbst von einem Unfall betroffen sein könntest, damit rechnest du ja per se nicht. Da ist dein Leben, dein Alltag, all deine Herausforderungen. Es bleibt in der Regel keine Zeit darüber nachzudenken, dass dies von einem Moment auf den anderen hinfällig werden würde.

Wir lebenserfahrenen Alltagskämpfer wünschen uns manchmal die unbeschwerte Kindheit zurück. Damals, als wir einzig die Tage zählten, bis die Ferientage wieder kamen und unzählige Mittwochnachmittage damit verbrachten, mit Freunden die Welt zu entdecken.

Genau diese Idylle, die du dir gerade vorstellst, kann sich mit einem Unfall abrupt verändern. Ich durfte dieses Kind begleiten. Lebenslustig, voller Energie und spektakulär redselig, da blieb mir vor Staunen fast der Mund offen stehen.

Bei einer Verbrennung ist klar Feuer im Spiel. Sei dies durch eine Feuerwerksrakete oder ein Lagerfeuer. Eine Verbrühung hingegen entsteht durch heisse Flüssigkeiten oder Dämpfe und beschädigt die verschiedenen Hautschichten. Das könnte dann heisses Spaghettiwasser, ein umgeschütteter Früchtetee oder eine Inhalationslösung sein. In beiden Fällen kann unsere Haut beschädigt werden. Wird dabei mehr als 40% deines Körpers oder auch dein Gesicht beschädigt, dann betreuen wir dich frisch nach dem Unfall auf der Intensivstation.

Meistens wird die Haut der Kinder erst sorgfältig im Operationssaal gereinigt und verbunden. Noch tief schlafend treffen sie dann bei uns ein und wir überwachen sie konzentriert. Wir müssen genau kontrollieren, wie viel Flüssigkeit die Kinder benötigen und achten darauf, dass sie genug Schmerzmittel bekommen. Je nach Tiefe der Verletzung der Haut kann dies unterschiedlich weh tun. Solange also der Körper die Schlafmittel der Narkose abbaut und das Kind aufwacht, sind wir besonders konzentriert am Bett, damit wir ihm genau die Pflege geben können, die es braucht.

Und dann ist er da, der krasse Moment. Das Kind öffnet die Augen. Schaut umher und bemerkt die fremde Zimmerdecke, hört das rhythmische Piepsen der Überwachungs- und Infusionsgeräte und riecht das Desinfektionsmittel in der Luft. Erleichterung huscht über sein Gesicht, sobald das Kind seine Eltern entdeckt hat. Und dann ist es doch wieder irritiert. Was war passiert, warum bin ich hier, warum ist mein ganzer Bauch oder auch meine Arme und Beine dick eingepackt und schmerzen? Die Worte purzeln ordnungslos aus seinem Mund.

Wir versuchen gemeinsam zu vermitteln, was war. Da war der Unfall, das Kühlen mit nicht zu kaltem Wasser, der Flug mit der Rega, die Operation und das Hier und Jetzt, wieder gesund werden im Kinderspital. Wir erklären dem Kind, warum all die Kabel und Verbände nötig sind. Es registriert dies und döst wieder ein.

Wir spielen dieses Spiel die ganze Nacht. Es wacht auf, orientiert sich erst, wo es ist und dann kommen die Erinnerungen hoch. Immer und immer wieder erzählt es mir, was passiert ist. Sein Kopf scheint fast zu platzen, so viele Gedanken drehen sich im Kreis.

Ich bin da und höre geduldig zu. Drehe mit ihm die Runden auf seinem Gedankenkarussell. Lasse es reden und reden und reden. Meine Aufmerksamkeit ist ganz beim Kind und dennoch habe ich dieses Ziehen im Herzen. Wie schnell sich auch der Alltag eines kleinen Menschen verändern kann. Dass ich das als Pflegefachperson an vorderster Front miterleben und davon lernen darf.

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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