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Abschied nehmen

  • Madita Weidmann

Der Tod – meiner Meinung nach ein sehr tabuisiertes Thema in der Gesellschaft, obschon wir früher oder später alle damit konfrontiert werden. Als angehende Fachfrau Gesundheit in einem Gesundheitszentrum für das Alter werde ich regelmässig mit Sterben und Tod konfrontiert.

Durch die Arbeit ist das Sterben und der Tod eines Menschen zu meinem Alltag geworden. Menschen bei ihren letzten Atemzügen zu begleiten und für sie da zu sein, wenn sie sich von der Welt verabschieden. Die Tatsache, dass ich tagtäglich damit zu tun habe, macht den Tod nicht weniger traurig. Allerdings bekam ich dadurch ein anderes Bild von ihm und meine ihn nun etwas besser verstehen zu können.

Mich selbst mit dem Tod zu befassen, fällt mir schwer. Es ist ein Thema, das meine Gedanken überfordert, wenn ich es auf mich selbst beziehe. Ich kann es mir nicht vorstellen, obwohl mir nichts versichern kann, dass es nicht morgen soweit sein könnte. Am Anfang hat mich diese Vorstellung bedrückt, da mir die Gesellschaft das Gefühlt gibt, dass der Tod immer etwas Grausames und Brutales ist.
Trauer ist vermutlich das stärkste Gefühl, das man beim Mitansehen eines Tods fühlt. Also musste ich einen Weg finden, damit umgehen zu können, ohne es zu sehr an mich heranzulassen. Ich versuchte, mich selbst zurückzunehmen und als eine Art Wegbegleiterin die sterbende Person bei ihrer letzten Etappe zu unterstützen und für sie da zu sein. Schliesslich weiss ich, dass ich niemanden vor dem Tod beschützen kann.

Bei den ersten Todesfällen, denen ich beistand, hat es mich dennoch mitgenommen. Aber da es in einer Altersinstitution dazugehört, konnte ich mich gut mit meinen Arbeitskolleg:innen austauschen. Darüber zu sprechen, erleichterte mir das Loslassen. Ich konnte so die schönen und lustigen Momente, die ich mit den Bewohnenden erlebte, im Gedächtnis behalten.

Ist jemand verstorben, mache ich das Fenster auf. Dieses Bedürfnis kann ich mir nicht abschliessend erklären, aber verschiedene meiner Kolleg:innen machen das auch so. Einige sagen, man mache es, damit der Geist oder die Seele von der verstorbenen Person in den Himmel aufsteigen kann. Ich verspüre jeweils das Bedürfnis, etwas herauszulassen. Zudem legen wir den Verstorbenen immer zwei bis drei frische Blumen in die Hände. Als Erinnerung und Andenken gibt es ein Buch, in dem jeder verstorbenen Person eine Seite gewidmet bekommt – mit einem schönen Gedicht und Foto.

Durch meinen Beruf wurde mir mit der Zeit bewusst, dass der Prozess des Sterbens auch eine gewisse Schönheit mit sich bringt. Der bevorstehende Tod bringt zwar Trauer, aber nicht unbedingt Angst und Sorgen mit sich. Er kann auch erlösend sein. Dies beobachte ich auch bei den Angehörigen. Für einige ist es sehr schwer, den Abschied für immer zu akzeptieren. Andere empfinden genau diesen Abschied als schön. Schön, wenn beispielsweise ihr geliebtes Familienmitglied nun in Frieden ruhen kann. Für diese wichtigen Abschiede gibt es bei uns im Gesundheitszentrum einen Raum der Stille. Dort dürfen sich Angehörige nach dem Tod ihrer Liebsten noch ein letztes Mal von ihnen verabschieden. Das ist ein sehr wichtiger Teil des Abschiedsprozesses.

Ich hoffe, dass ich all jenen Mut zusprechen konnte, die eine FaGe-Lehre aufgrund von Berührungsängsten mit dem Tod nicht antreten wollten oder ein mulmiges Gefühl hatten.

Bemerkungen

Madita Weidmann

Madita Weidmann ist Lernende Fachfrau Gesundheit im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach der Stadt Zürich. Wie sie ihren Alltag erlebt und meistert, was für spannende, berührende und herausfordernde Geschichten sie zu erzählen hat, berichtet sie hier auf dem PulsBlog.

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