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Ratlosigkeit

  • Parisa Abdulghani

Oft stehen wir bei der Arbeit vor Entscheidungen, die wir nicht eindeutig treffen können und auch nicht möchten. Jeder Mitarbeiter hat eine andere Einstellung gegenüber gewissen Situationen. Wir hatten kürzlich einen Fall bezüglich eines Bettgitters bei einer 100-jährigen Dame. Die Frage, die sich stellte, war, kann man einem Menschen die Freiheit nehmen um dafür seine Sicherheit zu gewährleisten?

Wir betreuten eine 100-jährige Klientin, die alleine Zuhause wohnte. Die Dame hatte einen Sohn, welcher sich gut um sie kümmerte. Da sie aber alleine lebte, konnte er nicht rund um die Uhr für sie da sein. Einmal stürzte die Klientin in der Wohnung und brach sich dabei eine Rippe. Sie war eine Weile im Krankenhaus und danach übergangsweise in einem Pflegeheim. Doch sie wollte unbedingt nach Hause, was gegen die Empfehlung der Ärzte war. Da ihr Sohn das Risiko eines erneuten Sturzes nicht eingehen wollte, hat er sich für das Bettgitter entschieden. Er dachte sich, die Klientin schläft sowieso den ganzen Tag, was auch stimmte. Die Nachbarin kümmerte sich um ihre WC-Gänge und die Spitex-Einsätze wurden auch auf sechs Mal am Tag erhöht.

Doch an manchen Tagen störte die Dame das Bettgitter enorm, deshalb kam bei uns eine ethische Fallbesprechung auf. Der Sohn sagte, ohne Bettgitter sehe er sich gezwungen sie im Altersheim unterzubringen, da er nicht so viel Verantwortung übernehmen könne. Die einen Mitarbeiter fanden, dass die Freiheit wichtiger sei als die Vorbeugung eines Sturzes und die anderen dachten das Gegenteil.

Handelt man nun nach dem Kopf oder dem Bauch? Was ist wichtiger - Sicherheit oder Freiheit? Wir sind zu dem Entscheid gekommen, nochmals mit dem Sohn zu reden. Er meinte, wir sollen es weiterhin mit dem Gitter versuchen, da seine Mutter nicht ins Pflegeheim gehen wolle. Doch da die Klientin sich nicht an ihren Sturz erinnern konnte, konnte sie auch die Notwendigkeit des Bettgitters nicht nachvollziehen. Aus diesem Grund erklärten wir ihr jedes Mal, wenn sie das Bettgitter nicht wollte, weshalb es wichtig sei. So akzeptierte sie das Bettgitter auch.

Nach kurzer Zeit haben aber Mutter und Sohn eingesehen, dass dies nicht die Lösung sein kann. Die Klientin zog ins Pflegeheim um und dort geht es ihr nun auch gut. Der Wunsch zu Hause zu sterben hat sich zwar nicht erfüllt, sie kann jedoch die restliche Zeit, die sie noch lebt, frei und gleichzeitig auch sicher sein.

In der Pflege stehen wir oft vor Situationen, wo wir uns fragen, ob diese moralisch vertretbar sind. Ob man nach Vernunft oder Emotion handelt ist vom jeweiligen Menschen abhängig, am besten wäre eine gute Balance zwischen beidem. Leider ist das nicht immer möglich. Deshalb ist es für uns sehr wichtig die Werte der Klienten und der Klientinnen zu kennen, den schlussendlich geht es um ihr wohlergehen. Wart ihr auch schon mal in einem ethischen Dilemma?

Bemerkungen

Parisa Abdulghani

Parisa Abdulghani schloss im Sommer 2019 ihre Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit EFZ ab. Was sie bei ihrer spannenden Arbeit bei Spitex Zürich Sihl alles erlebt, welche persönlichen Erfahrungen sie macht und was sie beschäftigt, erzählt sie im PulsBlog. 

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