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Geräuschkulissen

  • Katharina Rüdisüli

Summst oder singst du manchmal, wenn du versuchst einzuschlafen? Mir passiert das oft, aber nicht freiwillig. Ich freue mich auf mein warmes Bett, finde eine bequeme Position und dann fängt eine Melodie in meinem Kopf an, die mich vom Schlafen abhält.

Ich arbeite seit Jahren in der Pädiatrie und habe bemerkt, dass es nur etwa fünf Melodien gibt, die für Spieluhren verwendet werden. Alle Spielzeughersteller scheinen sich darauf zu beschränken, zum Beispiel "La Le Lu", "Schlaf Kindlein schlaf", "Guten Abend, Gute Nacht" usw. Wahrscheinlich aus Gründen der Fairness, damit alle Kinder die gleichen Melodien hören. Der einzige Unterschied liegt im Tempo. Bei einigen Spieluhren ist die Melodie so schnell, dass ich mich frage, wie ein Baby dabei entspannt einschlafen kann. Bei anderen Spieluhren ist die Aufziehschnur so kurz, dass das Lied vorbei ist, bevor ich die Patientenzone verlassen habe.

Es wirkt, als würde ich behaupten, Kennerin der Spieluhrszene zu sein. Vielleicht bin ich das ja. Denn Musik finde ich echt wichtig. Lärm ist schädlich für den Genesungsprozess und Musik Seelenbalsam im stressigen Spitalalltag. Du kannst dir kaum vorstellen, wie laut es bei uns auf der Intensivstation werden kann. Wir arbeiten mit vielen elektronischen Geräten und jedes hat seinen eigenen Alarm. Je kleiner die Kinder, desto weniger konkret können sie sich äussern und teilen sich vor allem mit, indem sie weinen. Und wenn dann alles schreit, blinkt und alarmiert, dann müssen wir von der Pflege umso lauter mit dem ärztlichen Dienst und den Eltern sprechen, um diese Geräuschkulisse zu übertönen.

Darum haben wir ein Ohr. Das blinkt rot, wenn es zu laut ist und grün, wenn der Geräuschpegel angenehm ist. Für mich ist es ein Mahn-Ohr. Wenn ich es blinken sehe, öffne ich schuldbewusst Verpackungen wieder leiser, flüstere und versuche, meine Geräuschemissionen zu minimieren.

Wo es ruhig ist, kann man sich entspannen und gesund werden. Ich frage mich dann manchmal, wie die Babys das wohl wahrnehmen. Da lebst du neun Monate im Bauch von Mama und die Geräusche der Welt dringen dumpf zu dir durch, und nach der Geburt realisierst du, wie laut es ist. Manche Eltern haben dafür bereits vor der Geburt eine Spieluhr, deren Melodie ihnen gefällt. Sie spielen sie dem Ungeborenen vor, sodass es sich nach der Geburt nicht nur an ihre Stimmen erinnert, sondern auch eine Melodie kennt, die es mag und ihm Sicherheit vermitteln kann.

Wir fragen dann jeweils, ob die Eltern die Spieluhr mit auf die Intensivstation bringen wollen. So können wir dem Baby nach einer stressigen Phase helfen, sich zu entspannen und in den Schlaf zu finden. So können auch wir ein wenig Geborgenheit vermitteln.

Die Spielzeughersteller gehen allerdings doch mit der Zeit. In den letzten Jahren sehe ich weniger Spieluhren in süsser Plüschtierform, sondern mehr aus Plastik. Dafür können sie nicht nur eine Melodie. Sie sind ausgestattet mit Licht- und Soundeffekten. Können den Herzschlag der Mama und einen Sommerregen simulieren und verfügen statt dem einen Lied über eine ganze Playlist.

Auch wenn ich mich an der Abwechslung der Playlists erfreue, vermisse ich manchmal die Nostalgie des wieder und wieder nötigen Aufziehens der Spieluhr. Doch dafür habe ich ja nun meinen Ohrwurm. Der singt gerade zum hundertsten Mal «laaleeluuu, nur der Mann im Mond schaut zuu….»

Bemerkungen

Katharina Rüdisüli

Als Dipl. Expertin für Intensivpflege arbeitet Katharina Rüdisüli im Universitäts-Kinderspital Zürich. Von ihrem abwechslungsreichen Arbeitsalltag, ihren emotionalen Begegnungen und abenteuerlichen Herausforderungen erzählt sie hier im PulsBlog. 

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